Forschung

Die Forschung in der Filippou-Gruppe fokussiert sich auf die Bereiche der Molekülchemie von Übergangsmetallen und Hauptgruppenelementen und kombiniert das Potenzial beider Bereiche, um neue Verbindungen mit ungewöhnlichen Bindungen und Reaktivität zu schaffen. Der Schwerpunkt liegt auf der Isolierung und Charakterisierung reaktiver geschlossen- und offenschaliger Moleküle, welche Silizium, Germanium, Zinn und Übergangsmetalle in neuartigen Bindungen enthalten, und auf der Nutzung der erhaltenen Verbindungen in stochiometrischen oder katalytischen Reaktionen. Um diese Ziele zu erreichen, werden spezielle synthetische sowie moderne analytische und quantenchemische Methoden eingesetzt.

Dreifachbindungen von Si - Pb mit Übergangsmetallen

Mehrfach gebundene Verbindungen der Elemente der 2. Reihe des Periodensystems sind stabil und in allen Bereichen der Chemie allgegenwärtig. Homonukleare Beispiele wie die Alkene und Alkine sind seit mehr als 150 Jahren bekannt und aufgrund der besonders reichen und vielfältigen Chemie ihrer π-Bindungen zentrale Bausteine in der organischen Synthese und der chemischen Industrie. Im Gegensatz dazu galten mehrfach gebundene Verbindungen der p-Blockelemente der höheren Reihen (n > 3) lange Zeit als zu reaktiv. Dieses Phänomen wurde damit begründet, dass diese Elemente keine stabilen (p-p)π-Mehrfachbindungen ausbilden können, da die zunehmende Differenz der Radien der ns- und np-Valenzorbitale eine isovalente Orbitalmischung (Hybridisierung) verhindert. Experimentelle und quantenchemische Studien über Mehrfachbindungen der schwereren Elemente der Gruppe 14 (Si - Pb) sind somit besonders spannend, da sie von den Kohlenstoffanaloga deutliche strukturelle und elektronische Unterschiede  aufweisen, die zu völlig neuen Eigenschaften und Reaktivitäten führen.

In diesem Zusammenhang erforschen wir seit 15 Jahren die Chemie von Tetrelylidin-Komplexen der allgemeinen Formel LnM≡ER, wobei M ein Übergangsmetall, Ln eine speziell zugeschnittene Ligandensphäre, E ein Tetrelelement (E = Si - Pb) und R eine sperrige Organylgruppe ist. Diese Verbindungen enthalten eine sehr reaktive polare Übergangsmetall-Tetrel-Dreifachbindung und können zum Aufbau einer neuen Koordinationschemie tetrelhaltiger Liganden genutzt werden.

Mo-Sililydyne Complex
© Jens Rump
Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Jens Rump

Niedervalente Siliziumchemie

Ein wesentlicher Teil unserer Forschungsarbeiten beschäftigt sich mit Silizium, dem schwereren Homologen des Kohlenstoffs der Gruppe 14, das aufgrund seiner natürlichen Häufigkeit und seiner spezifischen physikalischen und chemischen Eigenschaften eine breite Anwendung in der Elektronik und den Materialwissenschaften findet. Siliziumverbindungen in niedrigen Oxidationsstufen sind wichtige Spezies bei der chemischen Gasphasenabscheidung zur Herstellung von Halbleitern und Solarzellen oder bei der Synthese von Organochlorsilanen im Müller-Rochow-Verfahren. In unserer Forschungsgruppe versuchen wir, diese hochreaktiven Spezies zu bändigen und ihre Chemie unter normalen Laborbedingungen zu erforschen.

Jüngste Entwicklungen in der molekularen Siliziumchemie haben gezeigt, dass N-heterozyklische Carbene (NHCs) in der Lage sind, Siliziumzentren in ungewöhnlich niedrigen Oxidationsstufen zu stabilisieren. Interessante Beispiele sind die Disilizium(0)-Verbindung (NHC)Si=Si(NHC), die Si(I)-Halogenide Si2X2(NHC)2 (X = Cl, Br, I), die Si(II)-Halogenide SiX2 (NHC) (X = Cl, Br, I), oder die Silaheterocumulene  Si(NHC)(SiBrR) und Si(NHC)(PR) und Si(NHC)(CNR) (R=sperriger Organyl-Substituent), die sich als besonders nützliche Bausteine in der Chemie des Siliziums in ungewöhnlich niedrigen Oxidationszahlen erwiesen haben.

Quantenchemie

Wir wenden verschiedene quantenchemische Methoden auf ab-initio- und DFT-Basis sowie verschiedene Methoden der Wellenfunktionsanalyse auf die isolierten Verbindungen an. Dies hilft uns in zweierlei Hinsicht:

  • Erstens, um einen tieferen Einblick in die elektronische Struktur der Verbindungen zu erhalten, was zu einem besseren Verständnis der Eigenschaften der Verbindungen führt.
  • Zweitens können wir die Reaktivität vorhersagen und/oder erklären und Mechanismen, die ungewöhnliche Reaktionen der Verbindungen vorschlagen.

Als wir in den frühen 2000er Jahren den Zugang zu Verbindungen mit M≡E-Dreifachbindungen (M = Mo, W; E = Ge, Sn, Pb) fanden, konzentrierten sich unsere ersten Forschungsarbeiten auf das Verständnis der elektronischen Struktur dieser Verbindungen. Diese Forschungsarbeiten sind inzwischen auf eine Vielzahl neuartiger Si-Verbindungen ausgedehnt worden, die ungewöhnliche Geometrien und elektronische Strukturen aufweisen.

3D-PES Scan
© Gregor Schnakenburg
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